Sprachsteuerung in der Sackgasse

20. August 2024
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Alles Klartext

„Ein Auto, ein Computer, ein Mann.“ So einfach hat es bei David Hasselhoff alias Knight Rider in den 1980ern geklungen. Gekommen ist es ganz anders. Das Auto ist schon noch dabei, an Bord ­finden sich aber inzwischen ein gutes Dutzend Computer, Männer sind Auslaufmodelle, und KITT hat sich auf KI reduziert – leider jedoch nicht seine Unart abgelegt, dauernd dazwischenzuquasseln

„Natürliche Spracherkennung“ ist eines der unsinnigen Schlagworte, unter denen sich die Hersteller einen Wettlauf darum liefern, wer die kindischste Software dafür entwickelt. Statt einer klaren Anweisung wie etwa „Zwei Grad wärmer stellen“ – die viele Computer leider nicht verstehen – wollen diese mit lächerlichen Ansagen à la „Mir ist kalt“ gefüttert werden. Was ist in der Kindheit von erwachsenen Menschen schiefgegangen, die sich so etwas ein­fallen lassen? Gehen die auch zum Arzt und sagen „Ich hab’ ein Aua“ anstatt „Mein linker Knöchel schmerzt beim Auftreten“? Muss sich die Tendenz, dass sowohl das Erteilen als auch das Befolgen eindeutiger Anweisungen neuerdings dem basisdemo­kratischen Grundverständnis zu widersprechen scheint, auch noch im Auto fortsetzen?

Womöglich wird die nächste Generation der Sprachsteuerung überhaupt so reagieren: „So, so, kalt ist dir also – angeblich. Und was, wenn das nur ein Ausdruck deiner subjektiven Wahrnehmung als weißer, privilegierter Mann ist? Hast du das mit deinen Mitreisenden abgesprochen und in einer freien Abstimmung bestätigt? Ist diese Aus­sage überhaupt genderneutral verifiziert? Ansonsten werde ich darauf nämlich nicht reagieren.“ Wer das als überzeichnete Utopie abtut, liest wohl kaum Zeitungen und ganz sicher nicht die ­Kommentare in deren Online-Ausgaben.

Es muss aber nicht so kommen. Faktisch lässt sich der Ist-Zustand an Bord eines mo­der­nen ­Neu­wagens etwa so zusammenfassen: Wir haben zahllose Assistenzsysteme, die keiner will, die aber Pflicht sind, weil die Hersteller es verabsäumt haben, sich rechtzeitig gegen politische Zwänge  zu wehren. Viele dieser Funktionen haben nur ­des­wegen eine ge­­wisse Exis­tenz­berechtigung, weil es immer mehr Deppen gibt, die das Auto mit einer motorisierten Telefonzelle verwechseln und beim Fahren um jeden Preis auf ihr Smartphone glotzen ­müssen, anstatt auf die Straße zu schauen. Dazu kommt eine Vielzahl an Digital-Anwendungen, die auch kaum jemand braucht, außer die IT-Ab­teilungen von München bis Schanghai als ­Existenzberechtigung.

Der Ausweg aus dieser Misere wäre statt der sogenannten natürlichen Spracherken­nung eine umfassende – sprich (sic!): Alle wichtigen Sprachfunktionen sollten befehlbar sein und nicht nur, wie jetzt, ein paar nebensächliche. Statt nur punktuell auf kindische Äußerungen zu reagieren, sollten sämtliche sinnvollen Befehle im System angelegt sein. Allen voran mündliche Anweisungen wie das Deaktivieren des jüngsten, aber dennoch schon intensivsten aller On-Board-Ärgernisse: „Tempo-Warner aus!“ – das spart Stress und ist somit ein echter Beitrag zur Verkehrs­si­cherheit. Es gibt auch keinen Grund, warum etwa „Scheibenischer an!“ bis heute nicht dazugehört. Jedenfalls wäre es fein, wenn wir stattdessen nicht demnächst „Ich seh’ nix!“ sagen müssen.

Foto: Werk