Traumauto Test BMW M8 Cabrio Competition

1. August 2024
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Aktuelles

Fast viereinhalb Liter Hubraum, 530 PS, 750 Newtonmeter Drehmoment, vier Sekunden auf 100 bei einem Leergewicht von über zwei Tonnen. Nein, die Rede ist hier nicht vom Protagonisten dieser Story, dem M8, sondern vom V8-Basismodell M850i. Bleibt da überhaupt noch Luft nach oben?

Diese Frage stellt…

…man sich in München erst gar nicht – und verschreibt dem Luxus-Bomber ­eine M-Behandlung. Die fast einhundert PS Mehrleistung im Competition-Modell sind absurderweise weniger das Highlight, sondern eher die feinen Änderungen an Fahrwerk, Lenkung und Bremsen, die große Auswirkungen auf den Charakter des Cabrio-Renners ha­­ben. All diese Komponenten sind nämlich darauf ausgelegt, auch den höchsten Ansprüchen hinterm Steuer zu genügen. Im Vergleich dazu wirkt der M850i wie ein samtpfotiger Alltagsbegleiter – der M8 hinge­gen ist ein rabiater Sportler, der seine Insassen nicht schont, dafür bereit ist, Hand in Hand an die ­Grenzen der Physik zu gehen. 

 

Legt man es darauf an…

…frisst der M8 Landstraßen, dass es eine Freude ist. Im Hinterkopf natürlich stets präsent: das Leergewicht von über zwei Tonnen. In der Praxis halten jedoch Sport­reifen und das vom Rennsport inspirierte Fahrwerk dermaßen dagegen, dass man von den gar nicht so sportlichen Grundeigenschaften nichts mitbekommt. Die Pneus sind vorne nur minimal schmäler – eigent­lich: weniger breit – als hinten, und da der Sturz auf scharf gestellt wurde, folgt das Fahrzeug zwar Spurrillen, lenkt dafür aber sehr präzise ein. Untersteuern gibt es nicht, wohl aber Übersteuern – und das bei Lust und Laune sowie entsprechendem Können reichlich. Traut man es sich zu, darf man im M8 etwas erleben, was heute eigentlich nur mehr echten Exoten à la Ferrari oder Aston Martin vorbehalten ist. Auf Knopfdruck und nach Bestätigung einer Warnmeldung wird dieser M zum Hinterradler – aber nur, wenn Traktionskontrolle und ESP vollkommen abgedreht sind. Dann haben Mensch und Maschine ihr Einverständnis gegeben, sich ohne Wenn und Aber aufeinander einzulassen. 625 PS am rechten Fuß, portioniert über die Schaltwippen der makellosen Achtgang-Automatik, untermalt vom satten, aber niemals aufdringlichen V8-Sound, der bei M immer eine gewisse Motorsport-Note trällert (und ­somit weniger auf Ami-V8 macht als etwa die AMG-Aggregate). Gut, beim Kaltstart klingt er dann schon recht bullig, ansonsten wurde über die Jahre hinweg viel zensiert, was ehemals für gut befunden wurde.

Denn der verbaute V8…

…mit der internen Bezeichnung S63 ist ein echter Langzeit-Hit. Die Basis wurde bereits 2011 eingeführt, stetig verbessert und auch im Langstrecken- und GT-Sport in adaptierter Form eingesetzt. Sein Charakter ist wenig komplex: sanft bei niedrigen Drehzahlen, stürmisch bei höheren – dabei stets Kraft ohne Ende. Ein letztes Hurra des Münchner Achtzylinders also? Nein, dieser soll noch länger leben, nämlich mit Hybrid-Unterstützung. Sowohl auf der Straße als auch im Motorsport.  

Zurück zum M8

Nachdem die Schockstarre angesichts der entfesselten 625 PS langsam nachlässt und man wieder zu Bewusstsein kommt, dämmert es einem: Vielleicht handelt es sich hier doch um einen der so oft zitierten „Letzten seiner Art“. ­Einen V8 wird es wie gesagt auch in Zukunft geben, die Aussage bezieht sich nicht auf den Motor, sondern auf das Gesamtpaket. Bei diesem BMW geht es um Substanz, nicht um Trends. Der M8 ist ein Auto, das wunderbar von irritierenden Strömungen der Münchner ablenkt: etwa eigenwillige Marketing-Kampagnen, Abos für Sitzheizung (kein Scherz!) und übertriebene ­Nieren-Größen. Es ist ein Traumwagen, der schon vor dem Facelift gut war – und jetzt eben nochmals von zielgerichteten Verbesserungen profitiert. Und zwar von solchen, die diesen M nun noch sportlicher und präziser machen, und ihn nicht zum Social-Media-Star hypen – von der auffälligen Testwagen-Farbe einmal abgesehen. Diesen Boliden kümmert Öffentlichkeitsarbeit wenig. Er ist aggressiv, gleichzeitig elegant und wohlproportioniert, erinnert mehr an ein Speedboot als an ein Raumschiff. War der M8 bei seiner ­Präsentation 2018 ein State of the Art-Flaggschiff, wirkt er heute trotz Facelift schon nicht mehr hundert Prozent am Puls der Zeit – zumindest was die digitalen Features angeht. Andere Modellreihen wie 3er und 4er oder auch der vollelektrische iX bieten etwa schon den modernen, durchgehenden Bildschirm, im 8er findet sich noch das klassische Setup aus digitalen Armaturen und dem räumlich getrennten Multimedia-Touchscreen. Bei anderen Modellen hat BMW die praktische Option gestrichen, alle Assistenzsysteme mit einem einzigen Knopfdruck abzuschalten, nicht jedoch hier. Auch der praktische Dreh- und Drückregler iDrive ist geblieben.

Freilich geht es…

…hier auch um die Positionierung am Markt: Das Flaggschiff orientiert sich nach oben und nicht nach unten. Der hauseigene M4 ist in kaum einem Bereich entscheidend unter­legen – umso mehr entspricht der M8 der Definition von Luxus. Seine Eigenschaften machen rational gesehen keinen Sinn, begehrenswert sind sie aber umso mehr. Wer ein solches Luxus-Cabrio will, wird bei den anderen deutschen Herstellern nicht fündig, sondern muss sich anderweitig umsehen. Ferrari Roma Spider und ­Aston Martin DB12 Volante sind noch teurer und bieten keinen Allrad­antrieb, was sie streng genommen außer Konkurrenz stellt. Bleibt nur noch einer, nämlich der nicht mehr als Neuwagen bestellbare Bentley Continental GTC V8, der vom technischen Setup her vergleichbar ist, allerdings 75 PS weniger leistet, schlechter performt – und zuletzt fast 100.000 Euro mehr kostet. So gesehen kann man eine fast schon rationale Kaufempfehlung für das M8 Cabrio aussprechen, also für ein Auto, das hierzulande über eine Viertelmillion Euro kostet. Verrückte Welt.

Dieser Test erschien übrigens mit vielen weiteren in der Ausgabe September 2022 von Alles Auto, hier online zu bestellen.

Foto: Robert May

Daten & Fakten

Basispreis in € 257.366,–
Zyl./Ventile pro Zyl. 8/4
Hubraum in ccm 4395
PS/kW bei U/min 652/460 bei 6000
Nm bei U/min 750 bei 1800–5860
Getriebe 8-Gang-Aut.
L/B/H, Radst. in mm 4867/1907/1353, 2827
Kofferraum/Tank in l 350 / 68
Leergewicht in kg 2100
0–100 km/h in sec 3,3
Spitze in km/h 250*
WLTP-Normverbrauch in l (kombiniert) 11,2
CO2-Ausstoß in g/km 255

* mit M Driver’s Package 305 km/h